Emojis als Keimzellen einer globalen Kommunikation

Die Grafik mit den vielen kleinen Bildchen, die Sie hier sehen, ist eine »Kurznachricht«, die mir meine Partnerin kürzlich über den Instant Messenger »Threema« zustellte. In der ersten Wahrnehmungssekunde dachte ich natürlich zunächst an einen Übertragungsfehler. Aber dann dämmerte es mir: meine liebe Freundin hatte tatsächlich die Langeweile der Zugfahrt von München nach Hannover kreativ genutzt und mir die Erlebnisse ihres letzten Seminartages inklusive Prüfung, Ergebnisbesprechung, Ehrung, Verabschiedung und anschließendem Spurt zum Bahnhof ausschließlich mit dem Einsatz von Emojis »erzählt«.

Und ich hab’s sogar verstanden!

Das ist fast das Beeindruckendste daran. Nicht, dass ich damit jetzt meine Intelligenz loben wollte – oder sagt man heute »Lernkompetenz«? Nein, beeindruckend finde ich, dass wir uns offensichtlich schon so an den Gebrauch von Emojis* gewöhnt haben, dass wir tatsächlich bereits in der Lage sind, auch komplexe Zusammenhänge ohne ein einziges geschriebenes Wort zu verstehen.

Chinesen und Japaner werden darüber allerdings nur müde lächeln, besteht ihre »Schrift« doch von jeher aus Bildzeichen, wenn auch im Laufe der Jahrhunderte stark stilisierter (s. Exkurs unten). Noch offensichtlicher ist die Analogie zu den altägyptischen Hieroglyphen – die nur leider nicht bis in die Neuzeit überlebt haben. Wohnen wir möglicherweise gerade einer weiteren kognitiven Revolution bei? Ich halte die kurze Bildergeschichte meiner Partnerin für annähernd weltweit verständlich – wenn auch im Detail vollständig zu entziffern nur einem Eingeweihten gelingen dürfte.

Könnte dies nicht im Endeffekt zu einer neuen Welt-Schrift-Sprache führen? Im Sinne einer friedlich-globalen Völkerverständigung kein schlechter Gedanke, finde ich.

Exkurs

Die heute gebräuchlichen chinesischen und japanischen Schriftzeichen (»Kanji«*) waren ursprünglich auch eine reine Bilderschrift. Das unten abgebildete japanische »DO« (chin. »TAO«), das gemeinhin als »Weg« übersetzt wird (auch im übertragenen Sinne der »mentalen Entwicklung«), ist zusammengesetzt aus den Zeichen für »Kopf« und »vorwärts gehen«. Beide Teilzeichen sind dabei selbst Kombinationen: »Kopf« wird symbolisiert aus den Zeichen für »Auge« und Augenumgebung (»Augenbraue«), »vorwärts gehen« besteht aus einem stark vereinfachten Symbol für »Mensch« sowie einem für »Fuß«. Gerade diese starke Vereinfachung allerdings macht es uns als mit lateinischen Buchstaben sozialisierten Europäern heute eher schwer, diese Analogien noch (wieder) zu erkennen.

Emojis haben seit Ihrer Einführung als reine Strichmännchen (»Emoticon«*) in den letzten Jahren eher den umgekehrten Weg immer stärkerer Detaillierung vom »🙂« [Doppelpunkt-Divis-Klammer sollte hier stehen, leider machen moderne Browser gleich automatisch den gelben Smiley draus …] zum [Smiley] erfahren, auch unterstützt durch die enormen Leistungssteigerungen der Computertechnik insbesondere bei Mobilgeräten. Angesichts rasant zunehmender Rechtschreib-Ignoranz der nachwachsenden Generationen mag man zwar einen »Kulturverlust« beklagen. Aber wenn diese Form der Kommunikation dazu beitragen kann, das Verständnis unterschiedlicher (Sprach- wie Lebens-)Kulturen zu fördern, wären dies ganz schöne Aussichten. Ein Lächeln ist schließlich ein Lächeln, ob auf deutsch, russisch, arabisch oder Kisuaheli.

* Die hinterlegten Links verweisen auf die Begriffserklärungen auf wikipedia.de und sollen nur eine erste Orientierung bieten. Bitte bedenken Sie, dass Wikipedia-Erklärungen Community-basiert entstehen und deshalb nicht immer den neusten Stand historischer Forschung widerspiegeln.

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