Titelfoto: Experten beim UMBO-Kolloquium, im Uhrzeigersinn: 
Inka Schube, Rolf Sachsse, Sabrina Mandanici, Katharina Sykora,  
(© Werner Musterer)

 

Sprengel-Museum würdigt das Werk Otto Umbehrs mit Ausstellung und Kolloquium

Deutschland feiert 100 Jahre Bauhaus. Der Einfluss der berühmten Gestaltungsschule auf die Fotografie wird meist mit den avantgardistischen Werken von Laszlo Moholy-Nagy verbunden. Mit Otto Maximilian Umbehr (1902–1980), der sich immer nur UMBO nannte, würdigt das Sprengel-Museum Hannover nun einen der großen deutschen Dokumentarfotografen, dessen künstlerischer Weg 1921 ebenfalls am Bauhaus begann. Anders als bei Moholy-Nagy hat es bei Umbo aber bis in die 1970er gedauert, bis er in seiner Bedeutung (an)erkannt wurde. In einem öffentlichen Kolloquium mit 14 Kunstexperten ging das Sprengel-Museum im Februar 2019 der Frage nach, ob denn das Leben Umbos eine »exemplarische Bauhausbiografie« darstellte.

Umbo nahm seine Ausbildung am Bauhaus auf, als die Schule gerade zwei Jahre bestand. Er wird sich allerdings kaum dort mit der Intention beworben haben, Fotograf zu werden, denn dieses Fach stand in Weimar (noch) gar nicht auf dem Lehrplan. Das war erst ab 1929 der Fall und selbst dann sprach Johannes Itten, der berühmte Gestaltungslehrer, der Fotografie noch den Kunstwert ab, wollte sie maximal dafür zulassen, Produktaufnahmen der in den Ateliers entstandenen Werke anzufertigen. Umbo ist zu dieser Zeit schon wieder über fünf Jahre weg – man hatte ihn 1923 suspendiert, weil er sich über zuviele Regeln hinweggesetzt hatte.

Sein Weg führt ihn nach Berlin, wo er die Fotografie und bald die neue bewegliche Kleinbildkamera für sich entdeckt. Ohne Zweifel kann man Umbo als einen der Wegbereiter des neuen Mediums Fotojournalismus bezeichnen. Zeitungen und die neuen „Illustrierten“ drucken seine Bilder, er wird Mitbegründer der Fotoagentur Dephot, die für eine neue Bildsprache steht. Wieviel „Bauhaus“ ist hier noch übrig geblieben? Eher expressionistisch und bahnbrechend sind Umbos Straßenszenen und die Porträts von Prominenten und Künstlern, in deren Kreisen er sich wie einer der ihren bewegt. Kontrastreiche Aufnahmen aus teils ungewöhnlichen Perspektiven, enge Ausschnitte der Gesichter. Exemplarisch dafür stehen die Fotos, die er von der mondänen Archetype Ruth Landshoff macht, der Schauspielerin, deren ausschweifendes Leben als „It-Girl“ der Weimarer Republik großes öffentliches Interesse weckte. Umbo erschafft in dieser Künstlersymbiose so manche Ikone der Ikone und prägt das Bild der „Neuen Frau“.

Wie den meisten fortschrittlichen Bewegungen jener Zeit setzt der Nationalsozialismus auch Umbos Avantgardismus ein jähes Ende. Die Neue Frau muss wieder dem „Gretchen“ weichen. Umbo passt seine Bildsprache, nicht aber seine Haltung an. Er unterstützt den Widerstand, wo er kann, stellt sein Atelier für Flugblattproduktionen zur Verfügung. Mit der Aufnahme von Ricarda Huch beginnt er sein „Dichterarchiv“, eine Arbeit, mit der er auch herausfinden wollte, „wer alles Nazi geworden ist.“ Dann der Schlag: bei einem Bombenangriff 1943 verliert er all seine Arbeitsgeräte und nahezu sein gesamtes Archiv – wichtige Dokumente über Kultur und vor allem alternative Kultur sind verloren. Welchen dramatischen Verlust dies für die Kunstwelt bedeutet, wird erst Jahrzehnte später klar werden.

Die Nachkriegswirren führen Umbo nach Hannover, wo er bis zu seinem Tod 1980 bleibt. Fotografisch bleibt er dem Journalismus verbunden, hat Aufträge für die neuen Wirtschaftswundermagazine, kann aber nie mehr an die Erfolge seiner großen Jahre vor dem Krieg anknüpfen. Erst mit der „Wiederentdeckung“ der Fotografie als Kunst in den Siebzigerjahren erinnert man sich auch an Umbo: Die neu gegründete Spectrum Fotogalerie widmet ihm eine große Ausstellung.

Hofkünstler des Alltäglichen

PP0319-Umbo

Der Beitrag ist in der PhotoPresse 03-19 erschienen.

Liest sich so nun eine „exemplarische Bauhausbiografie“? Eine Ja-oder-nein-Antwort scheint bei Betrachtung von Umbos Gesamtwerk gar nicht mehr wichtig. Den Einflüssen der charismatischen Weimarer „Formmeister/innen“ konnte er sich wohl kaum entziehen, zu neu und aufregend muss das in jenen Tagen für einen jungen Mann Anfang Zwanzig gewesen sein. Adaption war es in Umbos Falle aber weniger, verfolgte er doch in seinen Frühwerken eher eine expressionistische Linie und weniger die der damals aufkommenden „Neuen Sachlichkeit“. Hielt er sich auch immer gern unter Bohemians auf und lebte wie ein solcher, als „Künstler“ verstand er sich nie, sondern immer eher als „Bildberichterstatter“.

Warum ist Umbos Fotografie aber dennoch Kunst und nicht einfach Dokumentarfotografie? Kuratorin Inka Schube gab die Antwort: Weil sich in der gesamten Breite seines Werkes die Geschichte dreier Epochen des 20. Jahrhunderts widerspiegelt. Noch bis zum 12. Mai 2019 kann man sich dessen an rund 200 Exponaten in der großen UMBO-Werkschau im Sprengel-Museum Hannover versichern.

 

 

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