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Aus dem Alltag einer Fotorestauratorin (7. November 2017)
Wenn es um den Stellenwert der Fotografie als Kunstgattung geht, ist das Sprengel-Museum in Hannover seit Jahrzehnten für seine Vorreiterrolle bekannt. So war die Förderung dieser zeitgenössischen Ausdrucksform auch ausschlaggebend für den Internationalen Kunstkritikerverband AICA, den Titel »Museum des Jahres 2017« in die niedersächsische Landeshauptstadt zu geben. Neben gleich zwei Fotokuratoren leisten sich die Sprengelaner mit Kristina Blaschke-Walther auch eine fest angestellte Fotorestauratorin, deren Stelle zur Hälfte von der Niedersächsischen Sparkassenstiftung mitgetragen wird. Für den Verein der »Jungen Sprengelfreunde« öffnete Blaschke-Walther jüngst den »Hochsicherheitstrakt« des Fotodepots und gab ebenso interessante wie überraschende Einblicke in ihre Arbeit.
Im von strengem Knochenleimduft angefüllten, halbdunklen Kellerraum sitzt die Restauratorin gebeugt über einem Schwarzweißbild und tunkt den feinen Marderhaarpinsel in die Eiweißlasurfarbe – mit dieser zweifelhaft romantischen Vorstellung von ihrem Beruf räumt Kristina Blaschke-Walther gleich auf. Der Weg vom Museumsfoyer ins Basement des Sprengelneubaus führt durch hohe helle Flure, deren Zugänge mit elektronischen Zugangskontrollen gesichert sind. In den weitläufigen Werkstatträumen, die sich dahinter verbergen, herrschen Ordnung und freundliche Atmosphäre. »Die typischen Retuschearbeiten wie Ausflecken oder Risse kleben sind absolute Ausnahme. Den Schwerpunkt meiner Arbeit bilden eher konservatorische und verwalterische Tätigkeiten.«, erklärt Blaschke-Walther und zeigt der Besuchergruppe ein so genanntes Zustandsprotokoll. Jede Fotografie, die das Haus verlässt – etwa als Leihgabe an andere Museen oder Ausstellungsorte – wird penibel von ihr untersucht, um alle Auffälligkeiten wie Flecken, Knicke, Risse oder Schichtablösungen schriftlich zu fixieren. Das kann schnell versicherungstechnisch relevant werden, wenn Leihgaben mit Mängeln zurückkommen.
Dass Fotografien durch die Hände vieler Leute gehen, die mit den Regeln sachgemäßen konservatorischen Umgangs wenig vertraut sind, nennt Blaschke-Walther als eine der größten Herausforderungen ihrer Arbeit. »Das fängt oft schon bei den Künstlern selber an. Auch die Werke der ›Stars‹ kommen ja nicht gleich ins Museum, sondern lagern erstmal in irgendwelchen Pappschachteln oder gar Kisten aus Formaldehyd-haltigen Spanplatten. Und das manchmal jahrelang.« Reines »Gift« seien auch die Plastiktaschen, in denen Inkjetpapiere ausgeliefert würden. Die enthaltenen Weichmacher wandern aus und schädigen auf lange Sicht die Bilder. Auch das Material der Umkartons sei für eine archivfeste Haltung ungeeignet. Solle eine Sammlung ins Sprengeldepot übernommen werden, ist daher Umlagern angesagt. Blaschke-Walther verwendet dazu spezielle Umschläge aus ungepuffertem Papier oder noch lieber gleich Passepartouts. »Wir haben ja gerade einen Teil des Gesamtwerks von UMBO (Otto Umbehr) erhalten: Das sind so viele Abzüge, dass wir die Passepartouts von Dienstleistern schneiden lassen. Aber die Montage machen wir dann wieder inhouse.«, so Blaschke-Walther.
Licht, Luft, Wärme – alles schlecht für Fotografien
Tintenstrahldrucke der modernen Generationen seien inzwischen C-Prints in Sachen Haltbarkeit und Farbstabilität deutlich überlegen. »Seit etwa 2010 haben sich pigmentierte Tinten durchgesetzt. Das hat einen echten Qualitätssprung gebracht. Dafür kommen neue Probleme auf: die spezielle Oberflächenbeschichtung beispielsweise, eigentlich dafür gedacht, die Drucktinte schnell aufzunehmen und trocknen zu lassen, ist auch besonders empfänglich für Luftschadstoffe. Außerdem verbrauchen sich die enthaltenen optischen Aufheller im Laufe der Jahre, das Papierweiß verliert so an Leuchtkraft.«, erläutert die Restauratorin. Besonders litten Fotografien aller Art auch unter Klimastress, also plötzlichen Temperatur- oder Luftfeuchtesprüngen, dem sie insbesondere beim Versand ausgesetzt seien, weswegen die Werke auch in speziell angefertigten Klimakisten mittels Kunstspedition transportiert werden. »Wir geben deshalb 24 Stunden Akklimatisierungszeit vor. Das heißt, die Klimakisten dürfen nach Ankunft einen ganzen Tag lang noch nicht geöffnet werden, damit sich die darin befindlichen Werke ganz sanft an die neuen Umgebungsbedingungen gewöhnen können.« Die Depots des Sprengel-Museums, also die dauerhaften Lagerräume, sind aus den gleichen Gründen noch sehr viel strenger klimatisiert als es die Ausstellungsräume schon sind.
Der Stoff übrigens, ohne den es gar keine Fotografie gäbe, ist gleichzeitig einer ihrer größten Feinde: das Licht. Blaschke-Walther: »Das ist ein Dilemma: alle, auch moderne, Materialien verändern sich nun mal unter Lichteinfluss. Im dunklen, klimatisierten Depot ist daher der beste Platz für eine Fotografie, wenn wir sie der Nachwelt erhalten wollen. Aber die Menschen kommen ja ins Museum, um Kunst anzusehen. Um diese kontroversen Ansprüche unter einen Hut zu bringen, haben wir Ausstellungsrichtwerte definiert. Bei C-Prints etwa halten wir einen Turnus von vier Jahren ein, nach dem die Werke für drei Monate bei maximal 50 Lux Beleuchtungsstärke unter definierten klimatischen Bedingungen gezeigt werden dürfen. Farbveränderungen sind aber trotz allem niemals gänzlich zu verhindern. Wir haben zum Beispiel einige Thomas-Ruff-Porträts der Niedersächsischen Sparkassenstiftung im Depot, da sieht man das Verblassen schon deutlich – und die sind ja noch nicht mal besonders alt.«
Gegenspieler mit sechs Beinen
Eine transparente Kunststoffbox in der Größe einer Butterdose auf einem der Werkstatttische zieht die Aufmerksamkeit der Führungsteilnehmer auf sich. In der Box: verschiedenste aufgespießte Käfer, Motten und andere Insekten, säuberlich mit ihren deutschen und lateinischen Namen versehen. »In der Tat stellen uns neben den beschriebenen Umwelteinflüssen Schädlinge immer wieder vor unverhoffte Probleme.« klagt Kristina Blaschke-Walther. »So können etwa die Larven des Splintholzkäfers in Aufbewahrungskästen oder gar Bilderrahmen lange unbemerkt ihr gefräßiges Dasein fristen und die Materialien von innen völlig zerstören, bis sie einfach auseinanderfallen. Und die Wollfilzmatten, die vielfach zum Polstern der Regalflächen in den Depots verwendet werden, können Filz- und Kleidermotten anziehen.« Da man seine »Feinde« kennen sollte, wurde mithilfe von Biologen die oben beschriebene Musterbox entwickelt. Außerdem betreibt man im Sprengel-Museum ein regelrechtes Schädlingsmonitoring mit Klebefallen. »Der Kammerjäger musste aber noch nie kommen.«, lacht Blaschke-Walther. »Das wäre aber dann auch die eigentliche Katastrophe, denn die Gifte, die der verwendet, würden unsere Werke erst recht zerstören.«
Edit 28. Mai 2018: Eine Kurzfassung meines Beitrags jetzt auch im Blog von kwerfeldein.
#Fotorestaurierung #Kunstgeschichte #Wissenschaft #Konservatorik