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von Werner Musterer | Reportage

SPECTRUM-Preis für Rineke Dijkstra (26. Januar 2018)

Mit Rineke Dijkstra ehrt die Stiftung Niedersachsen eine der herausragenden Fotografinnen der Gegenwart. Stand die Entscheidung der hochkarätigen Jury bereits seit Herbst 2017 fest, fand nun der offizielle Festakt im Sprengel-Museum Hannover statt, verbunden mit der Eröffnung einer umfangreichen Werkschau der niederländischen Künstlerin.

Welche Wertschätzung die Fotografie als Kunstform inzwischen genießt, zeigte sich an diesem Freitagabend im Januar auch daran, dass die Stühle im Museums-Auditorium schlicht nicht ausreichten. Sichtlich berührt begrüßte denn auch Museumsdirektor Dr. Reinhard Spieler die vielen hundert Zuhörer. Und nicht ohne Stolz verwies er auf die mittlerweile zwanzigjährige gemeinsame Geschichte seines Hauses und Rineke Dijkstra, die mit ihrem Lebensgefährten, dem Kunstredakteur Hans den Hartog Jager, und ihrer Tochter Julia angereist war. Schon 1998 zeigte die hannoversche Institution erstmals ihre Werke. Es folgten Beteiligungen an den international beachteten Bilderschauen »How you look at it« (2000) und »Photography calling« (2011). Und nun, so Spieler, habe die stilbildende Kraft dieses Œuvres und die künstlerische Konsequenz, mit der Rineke Dijkstra die Auseinandersetzung mit dem fotografischen Porträt in ihren filmischen Arbeiten fortführe, mit dem SPECTRUM-Preis endlich die würdige Auszeichnung erfahren. Dass die Jury mit ihrer Wahl richtig gelegen habe, zeige auch die kurz nach der Entscheidung bekanntgewordene Ehrung Dijkstras mit dem Hasselblad-Award, der als eine Art »Nobel-Preis der Fotografie« gelte.

 

Fotografie und Bildende Kunst im Kontext

PP 2-18

Der Beitrag ist in der PhotoPresse #2-2018 erschienen.

Der seit 1994 vergebene SPECTRUM-Preis schließt neben einem Geldpreis in Höhe von 15 000 Euro auch die Produktion einer Künstlerpublikation sowie eine umfangreiche Ausstellung ein, die noch am selben Abend eröffnet wurde. Doch es wäre nicht das Sprengel-Museum, hätte man sich nicht auch für diesen Anlass wieder etwas Besonderes ausgedacht: Zusammen mit Kurator Stefan Gronert hat Rineke Dijkstra eine dialogorientierte Präsentationsform unter dem Motto »Figuren« gewählt. In fünf Ausstellungsräumen sind nun nicht nur zahlreiche ihrer bekanntesten Bilder zu sehen, sondern diese werden im Kontext mit Skulpturen, Gemälden und Zeichnungen anderer Künstler aus der Sprengel-Sammlung gezeigt – von Max Beckmann über Picasso bis Niki de Saint Phalle. Dem Betrachter wird so ein ganz neuartiger Blick auf ein fotografisches Werk ermöglicht: Frappierend etwa, sieht man Lynn Chadwicks Bronzeskulptur »Watcher III« von 1959 neben Dijkstras 1996er Portrait zweier ghanaischer Jungen: so nah scheint ihre fotografische Arbeitsweise bei der Abbildung eines Menschen an der eines Bildhauers zu sein, dass Jury-Mitglied Inka Schube in ihrer Laudatio von Rineke Dijkstra als »Meisterin der Form« sprach. Typisch für diese ihre Sichtweise sind auch die berühmten »Beach Portraits«, Ganzkörperaufnahmen von Jugendlichen am Strand, die in ihrer Ungezwungenheit wie zufällige Schnappschüsse wirken, aber aufgrund der Aufnahmetechnik mit Großformatkamera und künstlichem Licht eine Detailgenauigkeit bieten, die es ermöglicht – eben wie bei einer Skulptur – tief in die Identität des Abgebildeten zu blicken und so immer neue Facetten zu entdecken.

Prädikat: unbedingt sehenswert! Die Ausstellung »Figuren – Rineke Dijkstra und die Sammlung des Sprengel Museum Hannover« läuft noch bis zum 6. Mai 2018. Das parallel erschienene Künstlerbuch kostet 29,90 Euro.

 

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