Am 19. Juni 2017 traf ich Prof. Dr. Charlotte Klonk, Kunsthistorikerin an der Humboldt-Universität Berlin, bei einer Veranstaltung des Literarischen Salons Hannover, wo sie über ihre Studie zur Rolle der Bilder des Terrors sprach. Das in der Folge erschienene Buch stelle ich hier vor:

Buchrezension

Charlotte Klonk: »Terror – Wenn Bilder zu Waffen werden«

S. Fischer Wissenschaft, Frankfurt/ M., 320 Seiten, 25 Euro

1881: Der tödliche Anschlag auf den russischen Zaren Alexander II. markiert den Beginn einer neuen, nun bald 150 Jahre währenden Ära. Allerdings weniger in politischer als vielmehr in medialer Hinsicht. Ihr Ziel, ein bürokratisches Regime zu zerstören, konnten die Attentäter mit ihrem Hinterhalt nämlich nicht erreichen, da sie einerseits bald gefasst wurden, andererseits Alexanders Nachfolger eine eher noch skrupellosere Politik etablierte. Nein, neu war, dass die zu der Zeit bereits gut vernetzte internationale Presse erstmals systematisch über den gesamten Vorgang von der Tat bis zur Verurteilung der Täter mit Hilfe von Bildern berichtete. Dies waren, da die Momentfotografie noch in den Kinderschuhen steckte, allerdings zunächst noch Illustrationen eigens beauftragter Zeichner, die von den Zeitungen zu den Orten des Geschehens geschickt wurden.

Hier beginnt der Bogen, den Dr. Charlotte Klonk, Professorin für Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität Berlin, mit ihrem Buch schlägt, dem eine mehrjährige Hochschulstudie zugrunde liegt. Dieser Bogen wird beim einstürzenden World Trade Center 2001 oder den jüngsten Überfällen durch den IS 2017 kaum enden: denn es scheint geradezu eine psychologische Notwendigkeit zu sein, dass noch heute, wie Klonk an zahlreichen Bildbeispielen nachweist, die mediale Berichterstattung über Attentate und Terroranschläge trotz aller technischen Entwicklung nach einem immer gleichen Muster abläuft: Erstens, Tatorte zeigen (je näher dran, desto besser); zweitens, sich des gesellschaftlichen Zusammenhaltes versichern (Retter, Helfer, Überlebende); drittens, Feindbilder aufbauen und die Unantastbarkeit der Staatsmacht unterstreichen und viertens – und erst damit werden Medien wie Konsumenten befriedigt sein – Festnahme und Verurteilung (wenn nicht gar Vernichtung) der Täter präsentieren. In diesem letzten Punkt wird auch deutlich, dass sich Charlotte Klonk mit der Verwendung des Begriffs »Terror« nicht allein auf »die Terroristen« beschränkt, sondern auch die furcht- und schreckenerregenden Gegenreaktionen der angegriffenen Staaten einbezieht – und die sind nicht immer nur defensive Selbstverteidigung.

Irritierende Verschiebungen gibt es, wenn eintritt, was Klonk »die Migration der Bilder« nennt. Wenn nämlich ein und dasselbe Bild von beiden »Seiten« benutzt wird, nur eben mit unterschiedlichen Zielen. So diente etwa das bekannte Führerscheinfoto des World-Trade-Center-Attentäters Atta, das in den westlichen Medien geradezu als Prototyp eines Feindbilds verwendet wurde, in islamistischen Kreisen der Märtyrerverehrung. Entscheidend für die Wirkung eines Bildes (oder Videos) ist eben immer der Kontext, in dem der Betrachter es wahrnimmt. Das entspricht nicht immer der Wunschstrategie der Herausgeber, wie Klonk sehr eindrucksvoll auch an weiteren ausführlichen Beispielen von Entführungsfällen zeigt, von den Tupamaros in Uruguay bis zur RAF in Deutschland.

Photonews 10-17

Die Rezension erschien in der Photonews 10-17.

Klonk gelingt es im gesamten Buch, die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit Hochspannung aufzubereiten, ohne jemals Gefahr zu laufen, in publikumswirksamen Voyeurismus abzugleiten. Mit der Abgeklärtheit der Wissenschaftlerin schafft sie es, analytisch zu bleiben, und geht doch weit über bloße Faktenermittlung hinaus. Charlotte Klonk hat eine Botschaft: Es wird entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Gewaltspirale haben, wie wir künftig mit Terrorbildern umgehen – zumal in Zeiten von mit dem Smartphone aufgenommenen Amateurvideos. Ein ganzes Schlusskapitel widmet sie daher der Bildethik und appelliert an die Verantwortung jedes Einzelnen. Denn den Krieg der Bilder kann letztlich niemand gewinnen.

 

#Dokumentarfotografie #Kunstgeschichte #Wissenschaft #Terror #Literarischer Salon